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29.01.2021

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkveranstaltung im Landtag des Landes Rheinland-Pfalz


 

Der 27. Januar ist ein besonderer Tag, ein Tag an dem wir alle innehalten sollten, ein Tag den wir dem Gedenken widmen sollten. Vor genau 76 Jahren wurde an diesem Tag das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und das Konzentrationslager Auschwitz befreit, heute ist er für uns ein Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

 

Schon seit zwei Jahrzehnten begeht der Rheinland-pfälzische Landtag diesen Tag des Gedenkens, dieses Jahr fand er erstmals als Online-Veranstaltung statt, im Zuge der Coronapandemie.

 

Im Zentrum der Veranstaltung stand der Zeitzeugenbericht der letzten Überlebenden von "Schindlers Liste", Niusia Horowitz-Karakulska. Die Geschichte der 88-Jährigen ist genauso eindrucksvoll, wie sie schrecklich ist. Sie erzählte von ihrer Flucht aus Krakau, von den Hausdurchsuchungen durch die Deutschen, von dem Transport in die Camps und das Leben in diesen Camps. Sie erzählte davon, wie sie zweimal knapp dem Tod in den Krematorien entkommen konnte durch die Hilfe ihrer Mutter und Tante und wie sie letztendlich gerettet wurde durch Oskar Schindler. Doch auch nach der Befreiung durch die Russen war das Leiden noch nicht zu Ende, sie berichtete von furchtbar harten Jahren der Nachkriegszeit, nicht nur von einem Kampf ums Überleben im zerstörten Europa, aber auch von den Jahren des Schweigens und Vertuschens, über das, was Menschen in den Lagern angetan worden war. Es dauerte Jahrzehnte, bis man begann aufzuarbeiten und aufhörte zu verdrängen, Jahrzehnte, in denen die Opfer totgeschwiegen wurden. Dies zeigt, wie wichtig ist es sich mit der Aufarbeitung der Geschichte zu beschäftigen, es ist ein andauernder Prozess, unter den kein Schlussstrich gesetzt werden kann, noch sollte. Es zeigt, dass Deutschland durch die Aufarbeitung sich seiner Geschichte annimmt, aber keinesfalls diese nun vergessen oder abschließen kann.

 

Frau Horowitz-Karakulska selbst stand auch später Steven Spielberg bei Fragen zur Seite, als er 1993 für die Dreharbeiten zu "Schindlers Liste" in Krakau war.

 

Die Vergangenheit lässt sie bis heute nicht los, bestimmte Bilder und Erinnerungen sind fest in ihr verankert, Schlaflosigkeit und Albträume plagen sie noch heute, an Vergessen ist nicht zu denken. Während sie erzählt, hat sie Tränen in den Augen. Es ist unvorstellbar, welchen Mut und welche Kraft es kosten muss, sich diesen Erinnerungen zu stellen, sie sich wieder ins Gedächtnis zu rufen und sie auszusprechen.

 

Zeitzeugen wie sie sind es, die das Gedenken lebendig halten, die Gesichter geben zu all den namenlosen Schicksalen und Opfern. Doch was passiert mit der Erinnerungskultur, wenn in naher Zukunft keine Zeitzeugen mehr existieren? Dies war auch eine der Fragen, zu denen sich in einer Gesprächsrunde mit Maly Dreyer und Hendrik Hering junge jüdische Studenten äußerten. Sie sprachen über ihre Kritik an der deutschen Erinnerungskultur, sie sei zu beschränkt auf Mahnwachen und einzelne Gedenktage, eine „Verritualisierung“ nehme es den Leuten ab, sich selbst mit der Geschichte auseinanderzusetzten, es müsse viel mehr getan werden. Sie berichteten auch von ihren Ängsten und Erlebnissen im Hinblick auf den wieder erstarkenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft und forderten die Politik auf zu handeln. Jedoch sollte diese Aufgabe nicht nur politisch geregelt werden, das Gedenken und die Erinnerung muss in Kunst und Kultur weiterleben. So wurde die Gedenkveranstaltung auch umrahmt von musikalischer Begleitung von Johanna Melchiori an der Geige und Ulrike Krämer am Klavier.

Auch das Staatstheater Mainz trug zum Gedenken bei mit einer Stimmcollage von Schülerinnen und Schülern. In der Collage "Liebe Niushia" erzählen sie Frau Horowitz-Karakulska von ihren Sorgen, Fragen, Ängsten, Wünschen, Erfahrungen und Gefühlen.

 

Der heutige Tag hat mir wieder einmal verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen und alles zu tun, um unser Versprechen zu halten. Unser Versprechen, dass sich der Holocaust nie wiederholen wird.

 

(Sophie König, MSS 11)